Ich erinnere mich – Je me souviens
Erinnerungsworkshop in der Tagespflege
Ein Stück Versöhnungsarbeit mit der eigenen Biografie geschah am 26. Februar 2025 im Seniorenpflegeheim Breisach. Die deutsche Künstlerin Ingrid Rodewald lud zum Workshop mit dem Titel „Ich erinnere mich – Je me souviens“. Sie bat die Teilnehmenden, einen Gegenstand aus ihrer Vergangenheit mitzubringen, mit dem sie eine besondere Erinnerung verbinden.
Elf Seniorinnen und Senioren folgten der Einladung und präsentierten ihre Erinnerungsstücke: ein Vereinsheft mit Liedern, geschnitzte Figuren aus Afrika, ein Spielzeugauto oder bemalte Steine mit Sinnsprüchen. Bei Kaffee und Kuchen eröffnete Ingrid Rodewald den Nachmittag mit den Worten: „Es gibt freudige und traurige Erinnerungen. Beides hat seinen Platz. Und oft sind Erinnerungen ja auch traurig, weil es vorher schön war.“
Die erste Teilnehmerin zeigte einen wunderschön geschnitzten Elefanten und erzählte begeistert von ihren Reisen nach Afrika. Gemeinsam mit ihrer Sitznachbarin schwelgte sie in Erinnerungen an die Zeit, als weite Reisen noch möglich waren.
Mit sichtlicher Überwindung begann der nächste Teilnehmer zu erzählen. Als 11-jähriger erlebte er die Deportation jüdischer Nachbarn. Ein Onkel habe noch versucht, diese zu verhindern, aber vergeblich. Anderen Teilnehmenden war die emotionale Betroffenheit anzumerken. Mehrmals fiel der Satz: „Es war eine schlimme Zeit“. Wer abgeholt und wurde und warum – darüber gingen die Meinungen jedoch auseinander.
Leichter wurde die Stimmung mit dem Bericht eines ehemaligen Sportlehrers und begeisterten Skifahrers. Ein Paar Fun-Carver (Kurzskier) diente ihm als Illustration der buchstäblichen „Höhenflüge“ und Tricks, die er damit vollführen konnte.
Der Klassiker VW-Bus im Mini-Format zauberte ein Lächeln auf die Gesichter. „Italien und Spanien waren nur der Anfang. In der ganzen Welt sind wir damit unterwegs gewesen“, erinnerte sich die Besitzerin. Manches Mal mit mehr Fahrgästen, als das Auto Sitze hatte. Immer im Gepäck : ein Reservetank und ein Eiskratzer für den Winter, wenn die Heizung ausfiel. Und jedes Mal war eine helfende Hand zur Stelle, wenn das Auto doch einmal liegenblieb.
„Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass es zehntausende Steine waren“, berichtete die Ehefrau eines Teilnehmers, der nicht mehr selbst sprechen konnte. Sie hatte einige der vielen Steine mitgebracht, die er im Laufe seines Lebens bemalte und rund um Ihringen verteilte. „Seine Krankheit darf nicht das Letzte sein, an das wir uns erinnern. Deshalb habe ich dieses Buch gemacht.“ Berührt blätterten die anderen Teilnehmenden durch die Seiten mit Fotos der schönsten Steine: „Ach von Euch waren die? Ja, ich habe auch welche gefunden!“
Weitere Erinnerungs-Workshops fanden in Seniorenpflegeheimen in Neuf-Brisach und Kunheim statt. Die Geschichten verarbeitet Ingrid Rodewald zu einer Ausstellung und einem Kunstwerk. Beides wird ab dem 31. Mai 2025 in der Galerie Art’Rhena auf der Rheininsel zu sehen sein.